Les courageux
Jasmin Gordon, Switzerland, 2024o
In a small town on the edge of wild country, an eccentric and delinquent mother has had enough of the rules. Crushed by her mistakes and by a society that doesn't give a damn – or a second chance – to people like her, she'll do anything to prove to her children, and to herself, that she still is a good person.
Jule ist eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern im Walliser Rhonetal, die kaum über die Runden kommt, bisweilen verschwindet, stiehlt und lügt. Aber sie liebt ihre Schar über alles und träumt davon, mit ihr in einem kleinen Haus leben zu können, dies mit geringen Erfolgsaussichten, da ihre prekäre Lage und ihre rebellische Art in einem ordentlichen Land nicht zu ihren Gunsten sprechen. Ausgehend von dieser einfachen Prämisse, die kaum eine Geschichte ist, hat die halbamerikanische Schweizerin Jasmin Gordon einen liebenswerten ersten Film gedreht, der es zur Uraufführung an das Filmfestival von Toronto geschafft hat. Er erinnert – in kleinerem Rahmen – an einige Erfolge von Hirokazu Kore-eda, etwa an Shoplifters. Ein Grossteil des Erfolgs ist der Wahl der französischen Schauspielerin Ophélia Kolb zu verdanken, die in der Rolle dieser Mutter Courage der fragwürdigen Entscheide umwerfend ist: In ihrer zwanzigjährigen Karriere, die sich auf Nebenrollen beschränkte, war Kolb noch nie so zu sehen, und das zahlt sich für die Filmemacherin aus. Von den Kindern bis zu den kleinsten Rollen (darunter die stets willkommene Sabine Timoteo als ehemalige Kollegin aus dem Supermarkt) spielen alle sehr gut. Der Kampf dieser Familie um ihre Freiheit und das schöne Sommerlicht tun ihr Übriges. Ist das realistisch? Wohl nicht allzu sehr, aber das spielt keine Rolle. Auch ohne eine soziale Botschaft à la Ken Loach oder eine moralische à la Dardenne sorgen die mitreissende Inszenierung und die überzeugenden Darbietungen für Spannung. Der überraschende Bonus: wie sich die Walliser Ebene im Gefolge von Ursula Meier (L’enfant d’en haut und La ligne) von Film zu Film zu einem echten Filmterrain entwickelt.
Norbert Creutz