Im Schatten der Träume

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Der Komponist Michael Jary und der Texter Bruno Balz, beide kurz nach 1900 geboren und 1988 verstorben, schrieben im pulsierenden Berlin der angebrochenen Swing- und anbrechenden Nazizeit ihre ersten Hits, lieferten dem Filmstar Zarah Leander die Ohrwürmer für einen NS-Schmachtfetzen im Bombenhagel und machten in den fünfziger Jahren erst recht Kasse mit dem Sound zu eskapistischen Revuefilmen und der heilen Welt der aufkommenden Schlager und Fernsehshows. Dabei hatte Jary Zwölftonmusik bei Schönberg studiert und wurde bei seinem Abschlusskonzert von braunen Saalstürmern gestoppt, Balz als Schwuler von der Gestapo immer wieder ins Visier genommen. In ihre Chansons schmuggelte Jary Jazzharmonien, Balz Zweideutigkeiten am Laufmeter ein. Der Schweizer Szenarist und Dokumentarfilmregisseur Martin Witz ist mit solchen historischen Ambivalenzen von seinen Porträts des Migros-Gründers Dutti der Riese und des Brückeningenieurs Ammann in Gateways to New York vertraut. In seinem Film über Jary & Balz findet er besonders kenntnisreiche und rhetorische gewandte Kommentator:innen des Zeitgeschehens, unter denen der passionierte Entertainer Götz Alsmann und sein Ensemble mit dem Vorspielen kompositorischer Finessen am Flügel und der stimmigen Interpretation von Jarry/Balz-Standards herausstechen. Am erstaunlichsten aber die Bild- und Filmdokumente von den dreissiger bis zu den sechziger Jahren, die das jeweilige Zeitgefühl zu irrwitzigen Aperçus verdichten. Hätten Sie etwa geahnt, dass für das obige Bild aus einem Nazi-Musical lauter SS-Männer in Frauenkleider gesteckt wurden, damit die wuchtige Statur Zarah Leanders (vorn in der Mitte) nicht auffiel? Mit derart schillernden Widersprüchlichkeiten wartet dieser Augen- und Ohrenöffner im Dutzend auf.