Baby
Marcelo Caetano, Brazil, France, Netherlands, 2024o
After being released from a juvenile detention center, Wellington finds himself alone and adrift on the streets of São Paulo, without any contact from his parents and lacking the resources to rebuild his life. During a visit to a porn theater, he encounters Ronaldo, a mature man, who teaches him new ways of surviving. Gradually, their relationship turns into a conflicting passion, oscillating between exploitation and protection, jealousy and complicity.
Zweiundvierzig Jahre nach seinem Tod vermissen wir Fassbinder und hätten uns gewünscht, dass Baby so kompromisslos wie Faustrecht der Freiheit von 1975 daherkäme, Fassbinders Meisterwerk voller Grausamkeit und Homoerotik, das sich um einen orientierungslosen jungen Proletarier dreht. Das wäre allerdings viel verlangt vom talentierten brasilianischen Regisseur Marcelo Caetano, der Fassbinders Handlung mehr oder weniger übernimmt, aber die aggressivsten Elemente entfernt und zu einer abgeschwächten Version gelangt. Auch so hat der Film seine Verdienste, angefangen bei der schönen Lektion, die er uns mit seiner Figur eines frisch entlassenen Häftlings über einige Dinge des (Über-)Lebens erteilt: Auf sich allein gestellt in den Strassen von São Paulo, trifft der junge Wellington einen Mann mittleren Alters, der seinen Körper verkauft, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Mann ist vom Charme des jüngeren angetan, nimmt ihn unter seine Fittiche, und schon leben die beiden zusammen, finanzieren sich durch Prostitution und Drogenhandel und verbinden sich in einer Mischung von gegenseitiger Zuneigung und besitzergreifender Leidenschaft. Später versucht Wellington, sich aus seinem Milieu zu befreien, indem er einen Mann verführt, der keine finanziellen Sorgen hat. Aus dieser Begegnung geht er mit einem neuen Hemd und einem Telefon hervor, also mit nicht sehr viel mehr, aber das macht nichts: Er kommt wieder auf die Beine und setzt seinen Zickzackkurs durch das Leben fort. Mehr sei nicht verraten von der Handlung, die kleinen Freuden ebenso viel Raum lässt wie echtem Unglück. Auch wenn dabei stellenweise der Eindruck aufkommt, dass uns der Film zu sehr trösten wolle, indem er zeigt, dass alles nicht so schlimm sei, gefällt doch seine Zärtlichkeit.
Émilien GürGalleryo




